Kamel, Löwe, Kind

Bist du das Kamel, bist du der Löwe, oder bist du das Kind? Das sind die drei Stufen der Entwicklung, die Friedrich Nietzsche nennt: DAS KAMEL Das Kamel ist treu und brav. Es will gefallen. Es kniet nieder und beugt sich dem Willen seines Herrn. Ohne einen Herrn fühlt es sich hilflos. Es braucht jemandem, der ihm sagt, was richtig ist und was falsch. Der Leitspruch des Kamels ist „Du sollst“. Einen eigenen Willen kennt es nicht. Alles, was es jemals will, ist seinem Meister zu gefallen und alles „richtig zu machen“. Mich erinnert das Kamel zum Beispiel an den Mann, der immerzu fragt, „Was wollen Frauen?“, oder „Wie gefalle ich ihr?“. Solch ein Mann kniet nieder vor der Frau, als sei sie Herrin über sein Leben. (Und natürlich unterschätzt er dabei sich, und überschätzt dabei sie.) Mich erinnert das Kamel auch an das, was uns allen in der Schule beigebracht wird: Sich einzufügen. Nicht aufzufallen. Dinge so zu machen, wie es uns vorgemacht wird. Immer schön Mittelmaß zu bleiben. Zu brillieren, indem man nachplappert. Zu gewinnen, indem man ist wie alle Anderen, und indem man versteckt, was in dieses Bild nicht hineinpasst. DER LÖWE Der Löwe ist das Kamel, das amokläuft. Der Löwe ist das Kamel, das die Schnauze voll hat davon, immer „Ja und Amen“ sagen zu müssen. Der Löwe kann den Satz „Du sollst!“ nicht mehr hören. Er tritt dem gesellschaftlichen Druck mit Trotz entgegen. Der Löwe sieht, wie all die Kamele da draußen ihre angepasstes Leben „in der Matrix“ führen — und er brüllt laut „Nein!“ dazu. Der Löwe weigert sich, gezähmt zu werden. Er...

Wer wartet, verliert

Eine der schlechtesten Positionen, in die du dich begeben kannst, ist die desjenigen der WARTET. Christoph, ein Freund von mir, hatte z.B. letzten Oktober ein Vorstellungsgespräch. Christoph war der Meinung, dass es gut gelaufen sei. Der Chef hatte ihm gesagt, man würde sich im Januar bei ihm melden. Christoph hat sich dann darauf verlassen. Er hat brav gewartet. Bis Januar. Bis Februar sogar. Und was ist passiert? Nichts. Es ist gar nichts passiert! Außer, dass Christoph vier Monate seines Lebens in nutzloser Hoffnung verbracht hat. Vier Monate, die er, wenn er nicht mit hoffnungsvollem Warten beschäftigt gewesen wäre, hätte nutzen können. Christoph hatte nach diesem Vorstellungsgespräch damit aufgehört, weiter Bewerbungen zu verschicken. Er hatte für sich sogar das Gefühl, dass es irgendwie „unehrenhaft“ wäre, sich jetzt weiter zu bewerben, wenn doch dieses eine Unternehmen offensichtlich an ihm interessiert ist. Das ist so ähnlich wie das Phänomen, das ich manchmal bei Männern beobachte, die sich Hoffnungen auf eine bestimmte Frau machen. Sie lassen dann alles andere liegen, verlieren alle anderen Frauen aus dem Sinn, und versteifen sich voll und ganz auf diese eine Frau. Sie fühlen sich fast, als würden sie „fremdgehen“, wenn sie auch nur mit einer anderen Frau sprechen, nachdem ihnen diese eine Frau doch schon Hoffnung gemacht hat. Das Kuriose dabei ist, WIE SCHNELL man hört, was man hören will: Man denkt, die andere Person habe sich festlegen wollen — obwohl es dafür, wenn man genau hinschaut, eigentlich überhaupt keine Anhaltspunkte gibt. Nimm den Arbeitgeber in Christophs Fall: Er hat sich Christoph gegenüber nicht gebunden. Er hat nicht zu Christoph gesagt, „Okay, hier ist der Arbeitsvertrag, hier...

Was Werbeplakate über die Realität verraten

Ein lustiges Spiel, wenn man draußen unterwegs ist: Zu versuchen, aus Werbeplakaten die Realität der angesprochenen Bevölkerung herauszulesen. Werbung spricht unsere unterdrückten Bedürfnisse an. Das heißt, du brauchst nur den Inhalt der Werbung ins Gegenteil verkehren, und du hast die psychologische Realität, in der die angesprochenen Menschen tatsächlich leben (= das Kompensationsprinzip). BEISPIEL #1: „Schreib dein Buch“ Hier in Leipzig hängen überall Werbeplakate für einen Onlinekurs darin, wie man sein eigenes Buch schreibt und veröffentlicht. Auf dem Plakat steht in fetten Lettern: „SCHREIB! DEIN! BUCH!“. Was sagt uns das über die Leipziger? Ein Buch zu schreiben heißt, mit seinen Gedanken gehört zu werden. Damit solche Werbung funktioniert, muss beim Publikum eine Sehnsucht danach da sein. Und eine Sehnsucht danach, gehört und beachtet und respektiert zu werden — bei welchen Menschen wird die am größten sein? Bei den Menschen, die sich nicht gehört fühlen natürlich. Bei den Menschen, die als graue Mäuse durch das Leben gehen. Denen niemand zuhört. Die Gedanken und Gefühle unausgesprochen in sich tragen. Und denen das Leben wieder und wieder gezeigt hat, dass niemand sich für sie interessiert. BEISPIEL #2: Frauenzeitschriften Mach dir als Mann mal den Spaß und stell dich vor das Regal mit den Frauenzeitschriften. Du wirst eine Menge lernen! Das Cover einer Zeitschrift funktioniert wie ein Werbebanner. Das Cover muss ja schließlich die Aufmerksamkeit der Käuferin anziehen, damit das Heft gekauft wird. Auch hier haben wir also das Kompensationsprinzip. Drei Themen, die man immer wieder auf solchen Coverbildern sieht sind: 1. „Wie mache ich ihn verrückt im Bett?“ 2. „Wie wirke ich schöner und jünger?“ 3. „Wie erkenne ich, wenn der Partner fremdgeht?“...

Wie Kerle sich selbst „kumpelschubladen“

Wir Kerle sagen gerne, „Sie hat mich in die Kumpelschublade gesteckt“. Wir tun so, als würde die Frau über uns stehen und Männer in ihrem Leben in verschiedene Schubladen „einsortieren“. Aber das ist eine sehr naive Sicht. Frauen sind keine Göttinen. Sie stehen nicht irgendwo „da oben“ und treffen „Aussortierentscheidungen“. Sie sind nicht wie der liebe Gott, der entscheidet, wer den Himmel verdient, und wer in die Hölle kommt. Frauen sind Menschen. Sie haben dieselben Ängste wie du. Sie haben dieselben Bedürfnisse wie du. Und sie lassen sich von ihrer Umgebung beeinflussen wie du. Wenn eine Frau dich „nur als Freund“ sieht, dann tut sie das nicht, weil sie es so entschieden hätte. Wenn eine Frau dich „nur als Freund“ sieht, dann tut sie das nur deshalb, WEIL DU DICH IHR GEGENÜBER SO VERHÄLTST, WIE ES EBEN EIN „NUR-FREUND“ TUT! Du „kumpelschubladest“ dich selber. Die Pickup-Leute würden mir wahrscheinlich zustimmen. Nur dass sie daraus schlussfolgern würden, dass du alles mögliche machen musst, um aus der Schublade wieder herauszukommen: mehr „alpha“ sein schlagfertig sein, oder „cocky & funny“ die „Führung übernehmen“, etc. Aber ich glaube, dass dieser ganze Psychokram hoffnungslos überschätzt wird. Frag dich lieber: Was ist wirklich das WESENTLICHE? Was ist der wesentliche Unterschied zwischen „Nur-Kumpel“ und „Liebhaber“? Was läuft zwischen der Frau und dem Liebhaber, was zwischen ihr und dem „Nur-Kumpel“ NICHT läuft? Auch da kann man wieder in Psychokram abdriften: „Liebe“, „Begehren“, „Anziehung“… bla bla bla. Aber was bedeutet das? Was ist der Unterschied, den man wirklich SEHEN kann? Woran erkennst du denn, dass zwei Menschen sich lieben, dass sie sich begehren, oder dass Anziehung zwischen ihnen...

„Sanft ist doch schwul“

Wenn Jungen 5 oder 6 oder 7 Jahre alt sind, sind sie unglaublich sanft und empfindsam. Sanfter und empfindsamer als die Mädchen sogar. Sie malen, sie kuscheln, sie weinen, sie lachen… Doch dann kommt die Zeit, wo Männer unter sich sind. Und da beginnt das Statusgerangel: Wer ist der Stärkste? Wer ist der Männlichste? Sanftheit hat hier keinen Platz mehr. „Sei ein Mann!“ „Beweise dich!“ „Sei hart, im Austeilen und im Einstecken!“ Sanftheit wird zum Zeichen von Schwäche. Von Kastration. Wer sanft ist, ist schwul. Kein richtiger Mann jedenfalls. Diese Defintion von „Männlichkeit“ existiert so seit ungefähr den 1960er Jahren. Vorher war es üblich, dass Männer sich gegenseitig lange Briefe schrieben. Die Definition ist vollkommen willkürlich. Aber sie führt dazu, dass du als Mann nicht mal auf einen anderen Mann zugehen kannst und ihn ansprechen, ohne dass du für einen Sekundenbruchteil denkst, „Au weia, hoffentlich denkt der nicht, ich wäre schwul…“ Was unterdrückt wird, geht aber nunmal nicht einfach weg. Es geht ins Unterbewusstsein. Und es sucht sich andere Ventile. Frauen. Was bewundern wir an Frauen? Ihre Sanftheit. Ihre Empfindsamkeit. Sanfte Haut. Sanfte Haare. Sanfte Stimme. Sanfte Bewegung. Sanftes Lächeln. „Hach ja, und ihre Wärme! *schwärm*“ Wenn du von einer Frau träumst, sehnst du dich wahrscheinlich gerade nach diesen Eigenschaften von ihr. Sie sind deine eigenen. Die, die du schon lange nirgendwo mehr zeigen kannst. Auch schon dir selbst gegenüber nicht. Und so versuchst du, dich mit der Sanftheit einer Frau wieder „heil“ machen. Leider kannst du so viele Frauen über Tinder flachlegen wie du möchtest: Die innere Leere bleibt. Ein Mann, der seine Sanftheit versteckt, aus Angst darüber...