Eine der schlechtesten Positionen, in die du dich begeben kannst, ist die desjenigen der WARTET.

Christoph, ein Freund von mir, hatte z.B. letzten Oktober ein Vorstellungsgespräch. Christoph war der Meinung, dass es gut gelaufen sei. Der Chef hatte ihm gesagt, man würde sich im Januar bei ihm melden. Christoph hat sich dann darauf verlassen. Er hat brav gewartet. Bis Januar. Bis Februar sogar. Und was ist passiert?

Nichts.

Es ist gar nichts passiert!

Außer, dass Christoph vier Monate seines Lebens in nutzloser Hoffnung verbracht hat. Vier Monate, die er, wenn er nicht mit hoffnungsvollem Warten beschäftigt gewesen wäre, hätte nutzen können.

Christoph hatte nach diesem Vorstellungsgespräch damit aufgehört, weiter Bewerbungen zu verschicken. Er hatte für sich sogar das Gefühl, dass es irgendwie „unehrenhaft“ wäre, sich jetzt weiter zu bewerben, wenn doch dieses eine Unternehmen offensichtlich an ihm interessiert ist.

Das ist so ähnlich wie das Phänomen, das ich manchmal bei Männern beobachte, die sich Hoffnungen auf eine bestimmte Frau machen. Sie lassen dann alles andere liegen, verlieren alle anderen Frauen aus dem Sinn, und versteifen sich voll und ganz auf diese eine Frau. Sie fühlen sich fast, als würden sie „fremdgehen“, wenn sie auch nur mit einer anderen Frau sprechen, nachdem ihnen diese eine Frau doch schon Hoffnung gemacht hat.

Das Kuriose dabei ist, WIE SCHNELL man hört, was man hören will:

Man denkt, die andere Person habe sich festlegen wollen — obwohl es dafür, wenn man genau hinschaut, eigentlich überhaupt keine Anhaltspunkte gibt.

Nimm den Arbeitgeber in Christophs Fall:

Er hat sich Christoph gegenüber nicht gebunden. Er hat nicht zu Christoph gesagt, „Okay, hier ist der Arbeitsvertrag, hier ist unsere Unterschrift: Ab Januar fängst du an“. DAS wäre etwas gewesen, worauf man sich hätte verlassen können. Aber so ist es ja nicht gewesen. Sondern man hat Christoph nur gesagt, man werde sich im Januar bei ihm melden. Das ist keine Entscheidung, sondern das ist ein Auffschieben der Entscheidung.

Genauso ist es, wenn du eine Frau fragst, ob man „nicht mal zusammen etwas unternehmen soll“, und sie dann sagt, „Ja klar, warum nicht“. Auch da ist nichts Konkretes ausgemacht. Was machen? Wann machen? Wo machen? Es steht alles weiter völlig in den Sternen. Für jeden Erfahrenen ist es klar, dass so eine „Zusage“ überhaupt nichts bedeutet. Aber derjenige, der hofft, dem reicht das. Der macht sich so eine Aussage zu dem Strohhalm, an dem er sich von nun an mit seinem ganzen Wesen festhält.

Und dann wartet er.

Und wartet.

Und wartet.

Und wenn dann irgendwann klar wird, dass es doch nicht passieren wird, dass er völlig umsonst gewartet hat, dann ist er enttäuscht und verbittert.

Aber ich sage:

„Enttäuscht“ hat dich in so einem Fall nicht die andere Person.

„Enttäuscht“ hat dich nicht der Arbeitgeber oder die Frau.

Sondern „enttäuscht“ hast du dich selber.

Jede Enttäuschung fängt mit Täuschung an. Und wer meint, eine unverbindliche Zusage sei eine feste Zusage, der täuscht sich.

Wenn der Arbeitgeber beim Vorstellungsgespräch keine Jobzusage macht, sondern nur sagt, „Wir melden uns“, dann ist das KEINE feste Zusage.

Wenn du eine Frau ganz vage fragst, ob sie sich „irgendwann mal“ mit dir treffen will, und sie sagt daraufhin ganz vage, „Ja klar, warum eigentlich nicht?“, dann ist das KEINE feste Zusage.

Wenn du so etwas trotzdem als feste Zusage verstehen willst, und wenn du dich dann darauf verlässt — dann täuschst du dich.

Das ist der Punkt, an dem du dich verläufst. Du gehst den falschen Weg entlang.

Und das böse Erwachen, das kommt dann später:

Deine Vorfreude verwandelt sich in Hoffnung…

Hoffnung verwandelt sich in Klammern…

Klammern verwandelt sich in Zweifel…

…und irgendwann, da bestätigt sich dein Zweifel. Da erkennst du, dass du die ganze Zeit über auf dem falschen Dampfer warst. Da siehst du endlich wieder klar. Da fällt die Täuschung von dir ab. Und dann stehst du da:

Ent-täuscht.

Das leichteste Mittel, nie enttäuscht zu werden, ist nicht mehr zu warten.

Warten heißt immer, dass du dich zum Spielball externer Kräfte machst.

Warten heißt, dass du deine Macht abgibst. Es heißt, dass du die Hände streckst, dass du passiv wirst, und dass du dich auslieferst.

Selbst auf die Menschen, die es gut mit dir meinen, solltest du nicht warten. Du kannst gerne mit dem Essen warten, bis deine Frau am Tisch sitzt, wenn’s dir Freude macht, gemeinsam zu essen. Aber bitte nimm, wenn deine Frau keine Zeit hat, das doch nicht als Ausrede dafür, warum du nicht mit Freunden grillen kannst. Wenn es dir wichtig ist, tu es einfach. Und ihr könnt es später immer noch wiederholen, wenn auch deine Frau Zeit hat.

Mach nicht die Menschen, die dir lieb sind, zum Hindernis in deinem Leben. Das wollen sie nämlich gar nicht sein.

 

Liebe Grüße,
Dein Leo

P.S. Das „gute Warten“ unterscheidet sich vom „schlechten Warten“ darin, dass du nicht hoffst oder ungeduldig bist. Wenn ich mit jemandem wandern bin, und ich warte auf den Anderen, damit er aufholen kann, dann ist das nichts, wo ich enttäuscht werden könnte. Ich warte, nicht weil ich mir davon etwas erhoffe, sondern weil ich dem Anderen Zeit gebe. Wenn ich aber als Single eine schöne Frau sehe, mit der ich gerne ins Gespräch kommen würde, und ich fange jetzt an, darauf zu „warten“, dass die Situation „günstig“ wird, DANN wird die Sache schlüpfrig. Dann nämlich ist mein Warten nichts anderes als Drückebergertum.