Du willst es, und du willst es nicht.

Du willst eine Freundin haben, und gleichzeitig stehst du dir selbst dabei immer wieder im Weg.

Woher kommt das?

Es könnte der „Mutter-Komplex“ sein:

So bezeichnen Psychologen den Zustand, in dem ein Mann in seiner Männlichkeit gehemmt ist.

Die Theorie dahinter geht so:

Ein Mann zu sein heißt, raus zu gehen und sich Dinge selbst zu erkämpfen. Das bedeutet auf der einen Seite Freiheit, und auf der anderen Seite Risiko. Und das heißt, es gibt in jedem Mann irgendwo die Sehnsucht danach, einfach wieder Mamas Liebling zu sein. Einfach wieder jemanden zu haben, der sich um dich kümmert, und der all deine Bedürfnisse erfüllt. Dieser Wunsch ist auch die Basis für viele Fantasien, die wir Männer haben: Dass wir Pornos gucken, in denen die Frau sich komplett unterwirft und alles tut, worauf der Mann gerade Lust hat. Und dass wir, wenn wir uns „verlieben“, davon träumen, wie unser ganzes Leben für immer glücklich wäre, wenn denn nur diese eine ganz besondere Frau uns ihren Segen gibt. Es ist also eine Sehnsucht danach, das Lebensglück in den Schoß gelegt zu bekommen, anstatt es sich erarbeiten zu müssen.

Normalerweise wird diese „Bequemlichkeitstendenz“ im Mann durch sein „inneres Raubtier“ ausgeglichen. Das siehst du schon in vielen kleinen Jungen: Sie lassen sich zwar gerne von Mama bemuttern. Aber nach ein paar Minuten Lob und Kuscheln werden sie ungeduldig und wollen wieder nach draußen zum Spielen. Der vorwärtsgerichtete Trieb, Neues zu entdecken, Fantasie in Realität zu verwandeln, neue Gebiete zu erobern, Expertise aufzubauen, sich einen Status zu erarbeiten, Anerkennung bei Anderen zu finden, und die Rätsel der Welt zu lösen, ist in der Regel stärker, als die Sehnsucht nach der Mama, so dass der Junge sich nach und nach zum eigenständigen Mann entwickelt.

Es gibt aber zwei Dinge, die diese Entwicklung blockieren können:

Erstens kann die Mutter so identifiziert mit ihrer Rolle als Mutter und Versorgerin sein, dass sie unbewusst dagegen wirkt, dass der Junge selbstständig wird (z.B. weil sie es für ihr eigenes Selbstbewusstsein braucht, „gebraucht“ zu werden, und deshalb Angst davor hat, dass ihr kleiner Liebling eines Tages sein eigenes Leben lebt, und sie dann wieder mit ihrem eigenen Leben ganz alleine dasteht).

Und zweitens kann es sein, dass deinem Jungen seine Männlichkeit „abgezähmt“ wird. Männlichkeit ist etwas, das in dir angelegt ist, genauso wie der Jagdtrieb im Wolf. Die Aggression des Wolfes ist für die Menschen unberechenbar und gefährlich — und so haben Menschen über die Generationen hinweg Wölfe nach und nach gezähmt und erzogen, bis aus dem wilden, gefährlichen Wolf ein faules kleines Schoßhündchen geworden ist. Und mit deiner Männlichkeit ist es dasselbe. Auch du musstest als kleiner Junge „gezähmt“ werden, weil du sonst für deine Eltern, deine Nachbarn, Lehrer und Mitmenschen nicht zu ertragen gewesen wärst.

Jungs sind anstrengend. Jungs sind laut. Jungs machen Sachen kaputt. Jungs können sogar verdammt brutal und grausam sein — sie können Tiere quälen, Mädchen an den Haaren ziehen, und (weil sie ständig angelockt sind durch das Gefährliche und Neue und ständig Grenzen ausloten müssen) sogar Häuser in Brand setzen. Ich weiß noch, wie ich früher als 6jähriger bei einem geparkten Anhänger die Bremse gelöst habe. Ich hatte keine Ahnung, was ich da tue. Aber der Anhänger stand an einem Abhang, und als er da abwärts gescheppert ist, hätte er gut und gerne einen Spaziergänger überrollen können. Es war pures Glück, dass der Weg gerade leer war, und dass der Anhänger schließlich in einem Zaun hängen geblieben ist.

Natürlich haben Eltern, Erzieher und Mitmenschen Angst vor diesen Gewalten, die in einem „wilden“ Jungen stecken — und versuchen deshalb, sie in Zügeln zu halten.

In der einen Hinsicht ist diese Erziehung gesund, weil sie dir Struktur gibt.

In der anderen Hinsicht ist sie aber auch schädlich. Sie kann nämlich dazu führen, dass in deinem Kinderkopf die Lektion hängen bleibt: „Alles was männlich ist in mir — alles Spontane, alles Wilde, Triebgesteuerte, Zielorientierte, Verspielte… alles was ICH will — das ist schlecht. Dafür muss ich mich schämen. Das muss ich verstecken. Wenn ich irgendetwas davon ans Tageslicht lasse, wird etwas Schlimmes passieren.“ Das kann sich bei dir als Gefühl einnisten. Und wenn dieses Gefühl, wenn diese Hemmung erstmal da ist, dann unterscheidest du auch nicht mehr dazwischen, ob du in einer Scheune ein Streichholz anzünden oder eine fremde Frau ansprechen willst. Beides ist Instinkt. Beides ist Initiative. Beides ist Exploration. Und du hast gelernt, dass solche Impulse gefährlich sind, dass sie zu Unheil führen, und dass sie von allen Menschen um dich herum missbilligt werden.

So kann es passieren, dass der „innere Löwe“ nach und nach verkümmert.

Die Symptome eines solchen Mannes sehen dann oft so aus:

Nach außen wirkst du schüchtern, aber innerlich hast du heimliche Sehnsucht nach Macht und Kontrolle. Und zwar nur, weil dir dein Intellekt näher steht als die Realität. Du willst Millionär werden, als Fluglotse im Airport-Tower arbeiten, oder als Jurist über richtig und falsch entscheiden. Alles, was dir erlaubt, über den Dingen zu stehen. Und auch (und gerade) was Frauen angeht zieht es dich hin zu manipulativen Techniken. Du willst ein Leben haben, in dem du von oben herab die Knöpfe drückst, ohne dass du dir selber die Hände schmutzig machst. Nicht etwa, weil du arrogant wärst… sondern weil du Angst vor dem echten Leben hast.

Du verkriechst dich in eine Fantasiewelt. Das kann der Computer sein. Es können politische Gedankenkonstrukte sein. Oder ein wissenschaftliches Fachgebiet, in das du dich so reinvertiefst, dass es für dich nichts anderes mehr gibt. Das alles sind Wege, mit denen du der Realität entfliehen kannst. Sie geben dir die Illusion von Kontrolle und Überlegenheit… aber in Wahrheit lenken sie dich nur ab von dem Schmerz, „Da draußen sind Menschen die Freude im Leben haben — und ich gehöre nicht dazu“.

Du legst dich nie fest. Mit jeder Entscheidung tust du dich schwer — denn sich zu entscheiden hieße ja, seine Möglichkeiten einzuengen. Du fängst viele Sachen an, aber bringst nichts zu Ende. Du arbeitest große Pläne im Detail aus, aber wenn’s ums Umsetzen geht, verlierst du die Lust. Und auch bei Frauen bist du nur solange interessiert, wie du sie nicht haben kannst. Sobald eine Frau dir Interesse zeigt, wird sie uninteressant für dich und du ergreifst die Flucht. Du möchtest dich gern als jemand sehen, der „gut mit Frauen“ ist — aber tatsächlich Verantwortlich sein für eine Frau, das willst du nicht.

Die Frage ist:

Was kannst du tun?

Zuerst musst du dir klar machen, dass die Verantwortung bei dir liegt. Du kannst nicht sagen, „Leo sagt, ich habe einen Mutterkomplex — das heißt, meine Mutter ist schuld“. Wenn wir von „der Mutter“ sprechen, sprechen wir nicht von deiner realen Mutter, so wie sie als Mensch wirklich ist. Sondern wir sprechen von dem Bild, das du von deiner Mutter hast. Das ist ein großer Unterschied. Was du z.B. als kontrollierend und einengend empfindest, mag von deiner Mutter wohlwollend und helfend gemeint sein. Es gibt also einen Unterschied zwischen dem, was deine Mutter tatsächlich macht, und dem, wie du es aus deiner Perspektive wahrnimmst. Und der Mutterkomplex hat mit deiner Wahrnehmung zu tun, und nicht mit dem, was tatsächlich passiert ist.

Es geht also weniger um deine Mutter als um deine eigene Erwartungshaltung an das Leben.

Deine Mom kann dir hier nicht raushelfen. Das musst du selber tun.

Deine Aufgabe ist, zu bemerken, dass du deinen inneren Löwen vernachlässigt hast. Denn am Ende bist es immer du selbst, der seine Macht abgibt, und der sich lieber „bemuttern“ lässt und darauf wartet, dass ihm die Dinge zufliegen, als dass er selbst Verantwortung übernimmt, auf die Dinge zugeht die er will, sich auf Sachen festlegt selbst wenn sie später schiefgehen können, und der sich auf ein Unterfangen auch dann einlässt, wenn er eben NICHT wissen kann, wie es ausgehen wird.

Wenn dein Löwe verkümmert ist, musst du ihn trainieren.

Und du musst dort anfangen, wo du im Moment stehst.

Und so funktioniert das Ganze:

Du achtest auf die kleinen Keime von Begehren, die du im Alltag spürst. Das können ganz einfache Sachen sein. Jemand erzählt dir etwas und du würdest gern bei einer Sache nachhaken, aber du hast Angst, dass deine Frage „blöd“ klingt oder du ihn aus dem Erzählfluss reißt, und hältst deswegen die Klappe. Du stehst am Postschalter und denkst dir, „Wow, das ist aber mal eine freundliche Bedienung“ — aber anstatt es ihr zu sagen und ihr damit eine Freude zu machen, behältst du den Gedanken für dich, murmelst „Wiedersehen“ und gehst nach Hause.

Es geht also nichtmal nur um Frauen. Worum es geht ist INITIATIVE. Es geht darum, rauszukommen aus dem Leben als Schlafwandler. Es geht darum, nicht nur die Dinge zu machen, die von dir erwartet werden, sondern auch mal wieder in dich hinein zu hören was DU eigentlich willst, und dann DAS zu machen. „Hallo“ und „Wiedersehen“ sagen kann jeder. Das ist die Norm. Aber aus der Norm auszubrechen und etwas zu sagen, einfach nur weil es dir gerade wichtig ist — das ist Initiative. Und Initiative ist einer der Hauptpfeiler von Männlichkeit überhaupt.

Wenn du eine Frau siehst, die dir gefällt, dann ist verrätst du dich selbst, wenn du nur guckst und nichts machst. Wenn du Neugier spürst, dann schuldest du es dir selbst, diese Neugier zu nähren. Die Neugier ist ein Keim deiner eigenen Lebendigkeit. Und du bist nicht besonders gut zu dir selber, wenn du solche Keime jedesmal wieder mit’m Holzhammer nieder trümmerst, indem du mit Ausreden kommst wie „Ich hab‘ gerade keine Zeit“ oder „Sie hat bestimmt eh nen Freund“. Sondern dann obliegt es dir als Verantwortlichem für deinen „inneren Löwen“ zu sagen, „Okay, mein innerer Löwe regt sich bei dieser Frau. Ich habe keine Ahnung, ob sie einen Freund hat oder nicht und ob es der richtige Zeitpunkt ist oder nicht. Aber es ist wichtig, dass mein innere Löwe merkt, dass ich ihn respektiere. Also höre ich auf ihn und folge seinem Impuls, und schaue was passiert“. Und dann gehst du hin zu der Frau und sagst, „Entschuldige? Hört sich jetzt bestimmt komisch an, und ich hab’s eigentlich auch eilig und muss meinen Zug kriegen… aber du gefällst mir.“.

Wenn du dabei nervös bist, ist das okay. Aber du brauchst dich nicht fertig machen, wenn du’s nicht schaffst. Es macht wenig Sinn, deinen inneren Löwen noch mehr zu verschüchtern als er ist. Wenn er einer Aufgabe nicht gewachsen ist, darfst du ihn nicht mit der Peitsche dafür bestrafen. Damit würdest du ihn nur total in die „Es macht doch alles keinen Sinnd“-und-„Ich werde es niemals schaffen“-Depriphase treiben. Gib ihm eine Aufgabe und sieh, wie er sich damit schlägt. Wenn sie zu groß für ihn ist, verzeih dir selbst dafür, und mach stattdessen etwas, das dir weniger Angst macht.

Es geht hier nicht darum, etwas zu beweisen. Sondern es geht darum, etwas groß zu ziehen.

Ganz genau wie ein traumatisiertes Tier braucht auch dein „innerer Löwe“ Zuneigung und Bestärkung von dir. Früher, wenn er sich geregt hat, hat er von Mama eins auf die Nase bekommen. Und heute, wenn er sich regt, kriegt er eins von deinem Intellekt drauf, weil du die kritische und übervorsichtige Stimme deiner Eltern einfach blind übernommen hast. Dein Job ist, dieser Stimme nach und nach die Macht zu entziehen — und deinem „inneren Löwen“ nach und nach zu mehr Mut, Freiraum und Macht über dein Leben zu verhelfen.

Alles Gute,
Dein Leo