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Zu lange gezögert – jetzt ist sie weg

Geschrieben von Leonard Baumgardt am in Artikel

Leserfrage: „Wie kann ich eine Beziehung retten, die ich mit darüber reden vermasselt habe?“

Und hier sind die Details:

Ich kenne sie schon lange, sie hat mir jeden zweiten Tag geschrieben, und wir haben immer etwas zusammen gemacht. Sie hat mir immer wieder klare Zeichen gegeben, wie sehr sie mich mag, aber ich habe es nie realisiert. Als ich es plötzlich realisiert habe, habe ich mich die nächsten zwei, drei Mal komisch verhalten. Sie hat mir dann nicht mehr geschrieben, sondern ich ihr. Die Treffen waren auch nicht mehr das Gleiche. Als ich einmal zu Hause am Lesen war, realisierte ich die Situation erst richtig, und es ging mir richtig beschissen, weil ich erkannt habe, wie schlimm es für sie sein muss, dass ich nichts mache. Ich habe es nicht mehr ausgehalten und mich mit ihr getroffen. Ich sagte ihr, dass ich die Situation lange nicht realisiert habe, und ich sie im Ungewissen lassen wollte. Dass ich weiß, was es bedeutet, was sie gesagt hat, etc. Sie hat es nicht zugegeben – und das ist auch verständlich – und gesagt, es sei schon gut oder in der Art, und wir sollten es dabei belassen. Wir sind nach Hause gegangen, und seither besteht Funkstille. Ich weiß jetzt durch deine Videos, was ich hätte tun sollen – leider zu spät. Was kann man in einer solchen Situation tun?

Ich würde sagen, dass dieser Zug wahrscheinlich – jedenfalls für jetzt – abgefahren ist.

Bei Beziehungen ist es immer so, dass du am Anfang Spannung und Knistern aufbaust. Diese Spannung und dieses Knistern ist für eine gewisse Zeitlang da, und entweder sie wird dann quasi umgemünzt und es bringt etwas in Bewegung, wie ein Dampfkessel etwas in Bewegung bringen kann, wenn man zur richtigen Zeit das richtige Ventil aufmacht. Genauso ist es bei Beziehungen, dass du am Anfang dieses Knistern … wenn es da ist, wenn du zum richtigen Zeitpunkt reagierst, dann kann sich etwas daraus entwickeln. Wenn aber der Dampf langsam schon wieder nachlässt, und es geht bergab, dann lässt sich kaum noch etwas draus machen. Ich würde gar nicht mal sagen, dass es hier in dem Fall kaputt gegangen ist, weil du dich dann hinterher mit ihr getroffen und gesagt hast, dass du es verstanden hast. Sondern, dass es vorher schon bergab gegangen ist, dass vorher schon zu lange gewartet war. Ich finde auch, dass du dich nicht dafür runtermachen solltest, was du getan hast. Ich meine, du sagst jetzt natürlich, „ich hätte es anders machen sollen“, aber du wusstest es damals nicht, und du hast damals – zu dem Zeitpunkt, wo dir das klar geworden ist – hast du das getan, was für dich das Richtige war. Nämlich du hast erkannt, „fuck, ich habe mich hier falsch verhalten, ich bin nicht ehrlich mit mir selbst gewesen oder ich bin blind gewesen.“ Du hast dich mit ihr getroffen und hast ihr das gesagt. Dafür kannst du dir keinen Vorwurf machen. Das war das Richtige, was du in dem Augenblick mit dem Wissen, was du gehabt hast, getan hast: Du bist ehrlich gewesen und hast ausgesprochen, was in dir vorgegangen ist.

Was ich auch vermute, ist, dass dir die Situation erst in dem Augenblick so richtig klar geworden ist, als sich ihr Interesse bereits auf dem Weg nach unten befand. Denn am Anfang, wo sie Interesse an dir hatte, hast du es nicht wahrgenommen, hast es von dir weggeschoben und es als gegeben, als eine Selbstverständlichkeit hingenommen, und es war keine große Sache für dich. Ich vermute, dass es dir erst dann richtig klar geworden ist, wo du gemerkt hast, dass es ein bisschen wieder nach unten geht, dass es ein bisschen wieder verschwindet. Und in dem Augenblick hast du nämlich Angst bekommen, etwas zu verlieren. Und das ist auch der Grund, warum es dich jetzt so fertig macht, dass jetzt Funkstille zwischen euch ist: Weil du merkst, dass du jetzt derjenige bist, der etwas verliert. Am Anfang war Sie diejenige, die etwas zu verlieren hatte, weil sie Interesse gezeigt hat, und von dir nichts zurückkam. D. h. du warst in einer Power-Position, du warst in der stärkeren Position, in der Machtposition von euch beiden. Das hast du nicht einmal wahrgenommen, das war eine Selbstverständlichkeit für dich. Es war keine große Sache, und du hast keinen Gedanken daran verschwendet: Du warst ja in einer bequemen Situation.

Jetzt dagegen hat sich das ganze Gefüge umgedreht. In dem Augenblick, wo du das erkannt hast, hast du angefangen zu denken „oh, da könnte ich etwas draus machen, da könnte etwas für mich drinstecken.“ Du hast angefangen, etwas zu wollen. Du hast angefangen, etwas kriegen zu wollen. Und in dem Augenblick hat sich das Machtgefüge wieder verändert: In dem Augenblick war sie diejenige, die sich zurückgelehnt hat. Und du warst derjenige, der angekommen ist, und der immer etwas wollte, immer gepusht hat. Damit bist du jetzt in dieser Situation, in der du unten bist, und sie ist oben. Und das juckt dich natürlich. Aber ich würde – basierend auf dem, was du erzählt hast, wie es vorher war – würde ich sagen, in dem Augenblick, wo du das Verhältnis wieder umkehren könntest, und du wieder oben sein könntest: Du würdest wieder das Interesse verlieren, in dem Moment, wo du oben bist. D. h. was ich denke, was hier der Fall ist, ist, dass du dich weniger getrieben fühlst von der Anziehung zu dieser Frau und mehr getrieben fühlst von der Verletzung deines Egos. Das meine ich nicht böse; okay, es klingt immer so böse „oh, ist nur dein Ego, du bist ein egoistisches Schwein.“

Das ist nicht, was ich meine. Was ich meine ist: Dass du im Moment mehr getrieben bist von dem Gefühl, du hast etwas falsch gemacht, dass da etwas offen ist, von der Angst, etwas verloren zu haben, und du willst es wieder haben – von all diesen Dingen und nicht so sehr von der Anziehung zu diesem Mädel. Bei dir geht jetzt alles Mögliche drunter und drüber. Du hast diese ganzen Störfaktoren und Egotriebe in dir, die nichts mit dem Mädel zu tun haben, sondern mit deinem verletzten Stolz, deinem verletzten Selbstbild und damit, dass du das Gefühl hast, dass du irgendwas falsch gemacht oder verloren hast. All das trübt deine Sicht im Augenblick. D. h. du bist im Moment komplett durch den Wind und kannst dieses Mädel an sich – als Menschen – eigentlich gar nicht mehr sehen. Weil du so gefesselt bist in diesen ganzen Machtspielchen, was da zwischen euch abgelaufen ist, und dem Schmerz, der damit verbunden ist, dass du etwas falsch gemacht hast. D. h. du bist im Moment wahrscheinlich gedanklich hyperaktiv und möchtest wahrscheinlich eins nach dem anderen machen. Und du möchtest das alles jetzt gleich in Ordnung bringen.

Aber es gibt ein Zen-Sprichwort: Kannst du still sein und still halten, bis die richtige Handlung von alleine kommt. Und in deinem Fall kann das gut und gerne sein, dass du für ein paar Monate dein eigenes Ding machen und die ganze Sache einsacken lassen musst, bis sich all dieses ganze Störzeugs gesetzt hat, bis du wieder klar sehen kannst. Ich würde sagen, dass das eigentlich jetzt gerade eine sehr gute Chance für dich ist, um mehr über dich selbst herauszufinden und um mehr Übung zur kriegen mit Frauen, um Übung darin zu kriegen, Beziehungen mit anderen Menschen, gerade mit Frauen, aufzubauen, und rauszukommen aus dieser Spirale – wo du diese Machtspielchen spielst, wo es darum geht, dass entweder sie etwas von mir will, dann will ich nichts von ihr, oder sie will etwas von mir, dann will ich nichts von ihr – da rauszukommen und stattdessen diese ganze Ego-Bühne zu verlassen und den Weg zu echten authentischen Beziehungen zu finden.

Das ist ein spannendes Feld. Das ist nämlich etwas, wo du diese ganzen Spielchen nie wieder haben wirst, wo du dich nie wieder darum kümmern musst, wo es nie wieder darum geht, wer hat Recht, wer ist derjenige, der oben ist, wer ist derjenige, der unten ist, wer will etwas von wem. All das spielt keine Rolle mehr. Deswegen sieh es als eine Lektion, die dir aus einem guten Grund passiert ist. Die dir passiert ist, damit sie dir nie wieder passiert, damit du draus lernen kannst, damit du drüber nachdenken, reflektieren und merken kannst, „fuck, so habe ich keine Lust, meine Beziehungen mit Frauen weiterzuleben.“ Und das ist sozusagen der Arschtritt, den das Universum dir gegeben hat, um meine Sachen zu kaufen natürlich ;-) um dazuzulernen – okay, egal von wem, ob jetzt von mir oder ob von anderen – um dazuzulernen, um zu experimentieren und rauszufinden, was ist dein Weg, und wie kannst du Beziehungen mit Frauen führen, ohne dass du in solche Spielchen verfällst. Das ist mein Rat.

Mein Rat wäre nicht, dass du jetzt versuchst, das Ding hier wieder zurechtzudoktern. Glaub mir, das kommt irgendwann wieder in Ordnung. Das kannst du irgendwann wieder reparieren. Und das kann auch von alleine wieder in Ordnung kommen. Du kannst dich irgendwann wieder mit dem Mädel treffen, kannst mit ihr drüber reden, was passiert ist. Aber im Augenblick ist die Baustelle, glaube ich, bei dir. Ich glaube, im Augenblick hat dir dieses Ereignis nur gezeigt, dass du zu sehr hin und her gerissen bist von verschiedenen Kräften in dir, und dass du erst mal aussortieren musst, was eigentlich Sache ist, und wie du eigentlich deine Beziehungen mit Frauen angehen willst. Okay?

Ich hoffe, dass dir die Antwort hier hilft. Ich hoffe, dass die Antwort auch allen anderen hilft, die in einer ähnlichen Situation gewesen sind. Ich selber bin mit genauso einer Situation gestartet: Das war der ganze Grund, warum ich mich überhaupt mit dem Thema beschäftigt habe, was dann dazu geführt hat, dass ich heute hier sitze. Es war genau dieselbe Situation, dass ich es versaut habe, und dass ich gedacht habe, ich muss es unbedingt reparieren. Ich habe es aber nicht getan, sondern ich habe für mich erkannt, dass ich Abstand nehmen muss und dass es hier um mich geht und nicht darum, diese Beziehung zu kriegen. Dass diese Beziehung und das, was in dieser Beziehung falsch gelaufen war, dass das nur ein Symptom war für etwas, was in mir selber nicht ganz klar, in mir selber durcheinander war, dass ich bei mir aufräumen muss. Dass ich mich besser kennenlernen muss, damit sowas nicht wieder passiert.

(Dieser Artikel ist ein Auszug aus Leo’s wöchentlichem Newsletter.)

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