Alle sind sich drüber einig, was Freiheit bedeutet:

„Ich bin frei, wenn ich tun und lassen kann, was ich will.“

Aber reicht das, um glücklich zu sein?

Wir leben ja heute in einer Welt, wo tatsächlich jeder so ziemlich alles haben kann. Klar gibt es immer noch einige Dinge, die man sich nicht leisten kann. Aber unser Lebensstandard ist extrem gestiegen im Vergleich dazu, wie noch unsere Großeltern gelebt haben.

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Und selbst der Hartz-IV-Empfänger heute zählt so einige Dinge zu seinem Besitz, für die ein König noch vor dreihundert Jahren in den Krieg gezogen wäre (Smartphone, Pfeffer, Waschmaschine, Aspirin, Wassertoilette im beheizten Bad…).

Ein Problem ist natürlich:

In dem Moment, wo ALLE etwas haben, erscheint es einem weniger wert. Ja, man möchte gern den neuen 40-Zoll-LED-Fernseher haben… aber wenn der Nachbar dann drei Monate später einen 55-Zoller im Wohnzimmer hat („curved“ und in Ultra-HD), dann ist die Begeisterung schon wieder weg, und man ist wieder zurück in dem Gefühl, „hinterher zu sein“.

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Schon daran siehst du:

Bloß weil du tun und lassen kannst, was du willst, bist du noch lange nicht frei.

Das Gegenteil ist oft der Fall:

Gerade WEIL du ständig getrieben bist von dem, was du WILLST und worauf du LUST hast, bist du ständig unfrei! Du jagst ständig diesem hinterher und jenem — und ein Großteil deines Lebens zieht an dir vorüber, indem du Dinge kaufst, die du nicht brauchst, die du bezahlen musst mit Arbeit, die dich frustriert.

Das Konzept von Freiheit, wie wir es heute versuchen zu leben, stammt aus einer völlig anderen Zeit.

Es stammt aus einer Zeit, wo die Menschen in mühevoller Feldarbeit für ihren Lehnsherrn haben schuften müssen, damit sie nicht verhungern. Es stammt aus einer Zeit, wo Banden von Rittern durch die Lande zogen und, wenn du Pech hattest, deinen Hof geplündert und deine Tochter entführt haben, ohne, dass du dich wehren konntest. Aus einer Zeit, in der Seuchen und Krankheiten aus dem Nichts heraus über dich eingefallen sind, ohne dass es Ärzte gegeben hätte, die dich oder deine Liebsten vor Tod oder Siechtum hätten bewahren können.

Natürlich haben solche Lebensumstände die Sehnsucht genährt, frei zu sein von all diesen Fesseln!

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Und das ist auch heute noch alles, was wir mit „Freiheit“ meinen:

Wir wollen keinen Hunger. Wir wollen keine Krankheit. Wir wollen keine gewalttätigen Herrscher.

Wir denken, wir sind frei, wenn wir all diese negativen Dinge losgeworden sind.

Man sollte meinen, dass der Mensch des 21. Jahrhunderts ein unglaublich glücklicher, lebensfreudiger Mensch sein müsste. Gerade hier in Deutschland. Niemand hungert. Niemand siecht. Niemand muss sich vor der Gewalt eines Willkürherrschers fürchten.

Trotzdem laufen viele Menschen mit hängenden Köpfen durch die Gegend. Zum Teil, weil sie „keinen Bock“ haben auf das, was der Tag bringen wird. Und zum Teil, weil ihre Augen an ihrem Smartphone kleben, mit dem sie versuchen, aus ihrem Dasein im Hier und Jetzt zu entfliehen. In Buchläden wird die Sparte „Ratgeber und Lebenshilfe“ immer größer, und die Wartelisten der Psychotherapeuten sind voll.

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Es gibt auch glückliche Menschen bei uns, keine Frage.

Doch der Deutsche an sich — ist der glücklich?

Ich glaube nicht.

Und ein Teil der Ursache ist, glaube ich, unser beschränktes Verständnis von Freiheit.

Indem wir Freiheit ins Grundgesetz geschrieben haben, haben wir uns geschützt vor jenen, die uns kontrollieren wollen durch Gewalt und Schmerz.

Aber was wir völlig übersehen haben ist, dass Gewalt und Schmerz nicht die einzigen Mittel sind, mit denen man einen Menschen ausbeuten kann.

Wir haben uns frei gemacht von jenen, die uns mit der Peitsche treiben. Wenn das einer wagt, schreien wir auf. Aber wenn jemand uns lockt… wenn er uns Versprechungen macht… wenn er Bedürfnisse in uns weckt… dann sind wir dem hilflos verfallen.

Das ist nämlich die Seite der Freiheit, die niemand sieht:

Es bringt dir gar nichts, tun und lassen zu können, was du willst, solange dein Wille selber manipuliert wird durch Andere!

Und das ist exakt die Situation, in der wir uns heute befinden.

Nummer 7 der reichsten Männer der Erde:

Mark Zuckerberg, der Gründer von Facebook.

Warum ist er so reich? Weil er es geschafft hat, Millionen von Menschen dazu zu bringen, dass sie die Finger nicht von etwas lassen können, ohne das sie zehn Jahre zuvor noch hervorragend haben leben können.

Und schau, wie Kinder und Jugendliche heute aufwachsen:

Sie werden umworben von SCHAREN von Spieleherstellern. Jeder Entwickler von Computerspielen hat es sich heute zu seiner Aufgabe #1 gemacht, dich so schnell wie möglich süchtig zu machen. Er muss! Er hat sonst gar keine Chance gegen die Konkurrenz.

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Dein „Wille“ wird die ganze Zeit manipuliert!

Du hast vielleicht gerade „Lust“ auf eine Fanta. Du denkst, das sei dein Wille. Tatsächlich war’s wahrscheinlich das Plakat, an dem du vor fünf Minuten vorbei gegangen bist, dass dich durstig gerade nach Fanta gemacht hat.

Du bist frei in dem Sinne, dass du tust was du willst.

Aber du bist unfrei in dem Sinne, dass du willst, was anderen nützt, anstatt dir selber.

Du hast richtig gehört:

Freiheit ist die neue Ausbeutung.

Du glaubst, du tust was du willst — und trotzdem bist du derjenige, der am Ende verliert.

Das Perfide daran ist, dass diese Art der Ausbeutung fröhlich geschieht, ohne dass du es überhaupt bemerkst.

Wir wehren uns lautstark gegen jene, die uns zu Sachen zwingen, die wir nicht wollen.

Wogegen wir uns im Moment gar nicht wehren sind jene, die uns dazu bringen, Sachen zu wollen, die uns schaden anstatt uns zu nützen.

Gegen diese Form der Ausbeutung sind wir alle nämlich im Moment vollkommen anfällig und hilflos.

Das macht uns unfrei, das macht uns unglücklich, und das macht uns sogar krank.

Und du brauchst es nicht auf die bösen Unternehmen schieben, oder auf die manipulativen Werbefachleute!

Der einzige Grund, warum diese Leute uns so erfolgreich ausbeuten können ist, dass wir unseren „Willen“ so furchtbar vergöttern. Dass wir ernsthaft glauben, wir hätten’s geschafft im Leben, wenn wir immer nur das tun, worauf wir gerade „Lust“ haben.

Was du „willst“, und worauf du „Lust“ hast, ist nicht notwendig immer ein Kompass für ein erfolgreiches oder glückliches Leben.

Ich habe vielleicht gerade „Lust“ auf eine Cola. Aber das heißt nicht, dass ich nachher besser dastehen werde, wenn ich die Cola getrunken habe, anstatt einfach Wasser. (Tatsächlich stehe ich nach der Cola weit schlechter da. Durch die enthaltene Fruktose habe ich meine Leber so ziemlich im selben Maße geschädigt, als hätte ich ein Bier getrunken. Durch das enthaltene Natrium werde ich sehr schnell wieder durstig werden, ganz so als hätte ich Salzwasser getrunken. Durch die Phosphorsäure schwäche ich meinen Zahnschmelz und mache mich anfällig für Karies und unangenehme Sitzungen beim Zahnarzt. Und obendrauf habe ich für die Cola auch noch bezahlt… das 500fache des Preises für Leitungswasser, übrigens.)

Versteh mich bitte nicht falsch:

Ich bin für Genuss.

Und ich kaufe auch Luxusprodukte. Ich kaufe Kaffee aus Guatemala. Ich sitze an einem Schreibtisch aus indischem Sheeshamholz. Und unsere Waschmaschine ist eine fette, solide Miele.

Ich bin absolut dafür, dass du dir Sachen gönnst!

Aber wenn du das tust, dann gönn dir doch lieber Dinge, die wirklich wertvoll sind:

Dinge, die dir mehr Energie geben. Die deinen Körper stärken. Mit denen du dich gut fühlst. Die lange halten. Und mit denen du dich niemandem versklavst.

Die Werbeleute wollen dich immer heiß machen auf Dinge, die für sich genommen Ramsch sind.

Coca-Cola ist das beste Beispiel:

Ja, Cola schmeckt ganz gut. Aber es ist im Grund genommen nur gezuckertes Wasser. Wenn ich mir ’nen Tee mache, und dort genauso viel Zucker reinklatsche, schmeckt das genauso geil. Wer sagt, er trinke lieber Cola, der tut’s wahrscheinlich nicht wegen des Geschmacks oder wegen des Nährwerts. Sondern er tut es einfach, weil er lange genug auf die Marke konditioniert worden ist.

Rasierklingen sind dieselbe Geschichte:

Es gab eine Zeit, wo der Mann es beherrscht hat, sich mit Rasiermesser oder Rasierklinge selbst zu rasieren. Er hatte noch Kompetenz.
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Aber dann kam Gilette. Und durch geschicktes Marketing haben sie es geschafft, dass du deine Kompetenz an den Nagel gehängt hast, dir eine Art futuristisch gestylten Lady-Protector gekauft hast, und von nun an Monat für Monat einen völlig überteuerten Preis zahlst für „Klingen“, die im Grunde nichts weiter sind, als ein paar Plättchen angeschärfter Aluminiumfolie. Gilette hat gewonnen — du hast verloren.

Und bei Autos ist es oft nicht anders:

Ja, es ist toll, wenn du einen schönen großen Schlitten mit ordentlich PS fährst. Gibt dir das Gefühl, „frei zu sein“, nicht wahr? Aber diese monatlichen Leasingraten, die dafür jetzt von deinem Gehalt abgehen — ist das nicht einfach eine neue Form der Knechtschaft, die du da eingegangen bist? Und die Tatsache überhaupt, dass das Leben so vieler Menschen heute es überhaupt nötig macht, dass sie sich morgens in einen Blechkasten setzen müssen und sich durch den Berufsverkehr quälen, damit sie pünktlich auf Arbeit ankommen und der Chef nicht meckert — ist das die Freiheit, die man dir in der Werbung zeigt? Mir scheint, die wenigsten Leute kaufen sich ein Auto, um damit aus Vergnügen am Fahren allein malerische Landstraßen und schnittige Gebirgspässe entlang zu flitzen. Das ist was sie dir verkaufen — aber es ist nicht was du kriegst.

Kaufen kannst du heute alles.

Und was du nicht kaufen kannst, kannst du finanzieren.

Zu bekommen, was man will, ist keine Kunst mehr in der Konsumgesellschaft.

Das können alle — und glücklich werden sie damit noch lange nicht.

Wenn du wirklich frei sein willst in dieser neuen Zeit, in der wir leben, dann musst du eine ganz neue Fähigkeit meistern:

Die Fähigkeit, zu wollen was dir nützt.

Die Einzigen, die diese Fähigkeit im Moment wirklich beherrschen, sind die Marketingleute. Nicht die Politiker, die so tun, als hätten sie die Lage im Griff. Auch nicht die Juristen, die Ingenieure oder die Wissenschaftler. Sondern die Marketingleute. Die sind die einzigen, die diese Macht erkannt haben und die sie ernst nehmen. Dass sie diese Macht zu ihrem eigenen Vorteil ausspielen, das kann man ihnen kaum verdenken. Sie wären dumm, es nicht zu tun.

Anstatt zu meckern oder dich zu beklagen, solltest du lieber von den Marketingleuten lernen.

Solange du tust, was du willst, bist du weiter Sklave.

Willst du Herr über dein Leben sein, musst du genauso clever damit werden, deinen Willen zu formen, wie es die Marketingleute im Moment sind.

Und natürlich sind wir damit direkt wieder da, wo schon Sokrates und Seneca vor über 2.000 Jahren standen:

Nämlich bei der Einsicht, dass der wahre Mann nicht der Sklave seiner Lüste ist, sondern deren Meister.