Geht’s dir auch so:
Die besten Ideen hat man in der Dusche. Oder beim Spazierengehen. Oder beim Zugfahren.
Anders gesagt: Gute Ideen kommen, wenn man nicht versucht, gute Ideen zu haben.
Freilich gibt es Momente, wo schnelles Handeln sich auszahlt. Wenn du jemanden siehst, den du kennenlernen willst, dann musst du hingehen — sonst ist die Chance weg.
Aber es gibt eben auch diese anderen Dinge im Leben. Die Dinge, wo die Antwort nicht dadurch kommt, dass du etwas tust — sondern dadurch, dass du stillhältst und die Situation erträgst, bis die Antwort von alleine kommt.
Manche Dinge muss man durchstehen:
- Du hast dich von deiner Freundin getrennt weil die Beziehung euch beide unglücklich gemacht hat, und jetzt wo du merkst wie weh es trotzdem tut, denkst du drüber nach, sie zu fragen ob ihr’s nicht doch nochmal versuchen wollt.
- Du bist beim Joggen, es läuft heut zäher als sonst, und du überlegst, ob du dir nicht ’ne Ausnahme gönnen sollst und einfach früher umkehren.
- Du hast deinen Chef nach einer Gehaltserhöhung gefragt, und jetzt guckt er dir in die Augen und du willst panisch zurückrudern, dich entschuldigen für deine Vermessenheit, und sagen dass dein jetziges Gehalt eigentlich doch völlig okay ist.
Das sind alles Situationen, wo der Impuls, dass man „schnell irgendwas tun“ will, nichts weiter ist als eine Übersprungshandlung. Eine Übersprungshandlung, mit der du vor der Situation versuchst davon zu laufen, anstatt sie zu ertragen.
Das Leben hat immer zwei verschiedene Arten von Herausforderungen für uns bereit. Manchmal stellt das Leben uns die Herausforderung, „Bist du stark genug jetzt einzugreifen?“. Und manchmal eben auch die Herausforderung, „Bist du stark genug das jetzt auszuhalten?“.
Weise ist, wer das eine vom anderen zu unterscheiden weiß. Wer also weiß, wann eingreifen gefragt ist — und wann aushalten.
Und nein, soweit ich weiß hat dafür noch keiner ’ne Formel gefunden…
Also mein Freund:
Ich wünsch dir, dass du die Kraft hast zu handeln, wenn Handeln gefragt ist. Dass du die Kraft hast stillzuhalten, wenn Stillhalten gefragt ist. Und die Weisheit, dass du das eine vom anderen unterscheiden kannst.
Dein Leo
P.S. Den Titel dieses Beitrags habe ich übrigens geklaut von der Ärztin und Medizinprofessorin Dr. Linda Lewis. Weil’s nämlich in der Medizin auch immer um diese Frage geht: „Muss der Arzt etwas tun — ein Medikament geben, operieren, etc. — oder richtet er damit mehr Schaden an als Heil?“. Zu jemandem, der ein guter Arzt werden will, sagt Dr. Linda Lewis deshalb: „Tu nicht einfach etwas, sondern steh daneben!“.