Da bist du, kleiner Mann, voll Lebensenergie. Du willst spielen, du willst erkunden, du willst laut sein und alles haben. Und dann sagt man dir:
„Du musst lernen, still zu sitzen und zuzuhören, denn sonst darfst du nicht in die Schule.“
Du tust was von dir verlangt wird. Du kommst in die Schule. Und dort sagt man dir:
„Du musst deine Hausaufgaben machen und fleißig lernen, denn sonst bekommst du ein schlechtes Zeugnis.“
Du lernst und büffelst. Bekommst dein Zeugnis. Und dann sagt man dir:
„Jetzt musst du dich bewerben, und du musst deinem Arbeitgeber zeigen, was er hören will. Denn sonst wirst du kein Geld verdienen.“
Und so passt du dich an an den Arbeitsmarkt. Du findest deine Nische, ergattest deine Position, verdienst dein eigenes Geld… und dann?
Dann geht es weiter!
Immer, wenn du die eine Leiter erklommen hast, steht die nächste vor dir!
Du hast eine Gehaltserhöhung bekommen? Prima! Solltest du dann jetzt nicht einen „angemesseneren“ Wagen fahren? In eine größere Wohnung ziehen? Ein Haus bauen vielleicht?
Du bist gesund und hast Freizeit? Solltest du dann nicht etwas aktiver im Dating sein? Mit mehr Frauen schlafen? Damit du irgendwann „die Richtige“ findest?
Die „Leitern“ sind überall.
Was immer du erreicht hast, es gibt immer mehr zu erreichen. Und wo immer du stehst, es gibt immer Andere, die dich überholen.
Zum Teil ist das ja auch richtig und gesund so:
Das Leben geht nunmal immer vorwärts. „Stillstand ist der Tod“, singt Grönemeyer, und er hat Recht damit. Nichts mehr vor sich in der Welt, das hat man nur auf seinem Sterbebett.
Und trotzdem haben diese ganzen „Leitern“ in unserem Leben auch etwas krankes.
Das kranke an unseren „Leitern“ ist, dass sie zum großen Teil bloß gesellschaftliche Erfindungen sind.
Viel Geld zu verdienen wird als Maßstab für Erfolg angesehen. Aber was bedeutet das schon, wenn jemand sein Geld dadurch macht, dass er Leute betrügt?
Ein großes Auto zu haben wird als Statussymbol angesehen. Aber was bringt dir dieser Status, wenn du sklavenartig jeden Tag zur Arbeit fahren musst?
Und wenn du als Privatpatient ein Anrecht hast auf Chefarztbehandlung, dann beneiden dich alle darum. Nur: Wärst du nicht in viel besseren Händen, wenn du einen Vertrauensarzt hättest, der dich wirklich kennt, und für den du nicht bloß eine Nummer bist?
Die Leitern unserer Gesellschaft sind genauso überbläht wie viele Aktien. Viel Hype, und wenig Substanz.
Wer smart ist, klettert die Leiter nicht hoch, sondern überspringt sie.
Sei nicht der Idiot, der in allen Bereichen des Lebens die Leitern hochklettert, die man dir vor die Nase stellt. Die Leitern zu klettern heißt, sich in Wettbewerb zu stellen mit 80 Millionen anderen. Du wirst nie gewinnen, und du wirst nie ankommen. Wenn dein Leben zu Ende geht, wirst du immer noch irgendwo in der Mitte der Leiter stehen.
Und es wäre doch schade, wenn’s dir erst DANN aufgeht, dass das alles ein großer Witz gewesen ist.