Was haben Frauen eigentlich gegen „nette Kerle“?

Ich meine, wenn du „nett“ bist, ist das denn nicht… nett?

Das Problem am „netten Kerl“ ist, dass er nur eine Hälfte von sich selber lebt. Deshalb sehen die Frauen ihn auch nicht als „ganzen Mann“.

Das Ganze passiert so hier:

Als Kind bist du abhängig von deinen Eltern. Schutz und Wärme und Essen und Trinken und Liebe… all diese Sachen braucht dein Organismus zum Überleben. Deine Eltern sind die einzige Quelle dafür.

Das heißt, die größte Angst, die du als Kind hast, ist dass deine Eltern aufhören könnten, dich zu mögen. Du achtest deshalb sehr genau darauf, was Mama und Papa an dir gut finden, und was nicht — und dann fängst du an, dich danach zu richten. Sachen, die Mama und Papa gut finden, machst du immer öfter und toller und lauter. Und Sachen, die Mama und Papa nicht mögen, fängst du an zu verstecken.

Dasselbe Spiel wiederholt sich später mit Erziehern, Lehrern und Freunden. Was angenommen wird, verstärkst du. Und was abgelehnt wird, unterdrückst du.

Die Folge ist eine Spaltung:

Es gibt jetzt das „öffentliche Ich“ (das du nach außen zeigst), und es gibt das „geheime Ich“ (das du vor Anderen versteckst, vor dem du dich schämst, und das du womöglich nichtmal dir selber eingestehst).

Je älter du wirst, umso mehr sammelt sich in deinem „geheimen Ich“ an:

Dein Mut.
Deine Selbstbestimmung.
Deine Wut.
Deine Frechheit.
Dein Lebensdrang.
Deine Risikobereitschaft.
Deine Triebhaftigkeit.
Dein Körpergefühl.
Deine Fähigkeit ohne Beklemmung zu tanzen.
Dein Witz und dein Humor.
Deine Sexualität.
Und, und, und…

Der Dichter Robert Bly nennt das Ganze auch „den Rucksack“:

All die Dinge, die du weggepackt hast, weil du sie nicht zeigen willst, landen in deinem Rucksack. Und den schleppst du Zeit deines Lebens lang mit dir herum.

Es kostet Energie, diese Dinge versteckt zu halten!

Robert Bly sagt:

„Wenn jemand zu mir kommt und sich beklagt, er hätte zu wenig Energie, dann frage ich mich, was bei ihm wohl alles im Rucksack steckt…“

Die Sachen im „Rucksack“ sammeln sich ganz allmählich an — und über viele Jahre merkst du’s womöglich nicht einmal. Die Last ist da, aber sie ist erträglich.

Es ist ein bisschen, als wäre dein Leben eine Reise um die Welt, mit einem Rucksack, der jeden Tag ein paar Gramm schwerer wird. Du wirst lange Zeit weiter zurecht kommen auf deiner Reise — einfach durch pure Kraftanstrengung.

Aber es kommt der Punkt, wo du nicht mehr kannst. Irgendwann kommt ein Punkt auf deinem Weg, die dich mit deinem fetten Rucksack schließlich zum Stolpern bringt.

Für viele Männer hat dieser Punkt einen Namen:

FRAUEN.

Wenn zu viele Teile von dir im Rucksack weggepackt sind, dann kommt das spätestens in deinen Beziehungen zu Frauen zum Vorschein. Weil Frauen dir widerspiegeln, wie’s innen drin bei dir aussieht.

Und dann hast du die Wahl:

Du kannst jetzt entweder versuchen, auch dieses Hindernis wieder auf dieselbe Art zu überwinden, wie du’s bislang gemacht hast: Noch ein bisschen mehr Kraftanstrengung. Noch ein bisschen mehr eiserner Wille. Noch ein bisschen mehr Tricks und Abkürzungen. Und dann gehst du zu den Pickup-Artists, oder suchst dir einen Guru aus der NLP-Riege der dir verspricht, dass du über Frauen genauso hinwegtrampeln kannst, wie über alle anderen Hindernisse zuvor auch — ohne dass du irgendetwas an dir verändern bräuchtest, natürlich!

Anders gesagt: Du kannst die Sache mit Frauen als eine Störung in deinem Leben sehen, die beseitigt werden muss. Genauso, wie ein Kopfschmerz, für den’s einfach schnell ’ne Tablette braucht.

Das ist der eine Weg.

Der andere Weg ist, dass du innehältst. Und dass du plötzlich erkennst:

„Scheiße, na klar! Kein Wunder dass ich hier stolpere. Ich schleppe die ganze Zeit diesen Riesen-Rucksack mit mir herum, und ich hab’s nichtmal bemerkt. Der ist auf meinem Rücken gewachsen wie ein Tumor. Wenn die Sache mit den Frauen jetzt nicht wäre, die mich wachgerüttelt hat, wer weiß wie lange ich dieses Ding noch mit mir rumgeschleppt hätte, ohne überhaupt zu merken was mich die ganze Zeit so runter zieht!“

Und dann kannst du stehen bleiben. Deinen Rucksack ablegen. Den Inhalt vor dir ausbreiten. Und dann anfangen ganz bewusst zu entscheiden:

„Was davon gehört dort rein… und was davon kann ich jetzt, wo ich erwachsen und selbstständig bin, rausnehmen?“

Frauen spüren, wenn ein Mann zu viel mit sich herum schleppt. Wenn er verklemmt ist. Wenn er Wunde Punkte hat. Wenn da etwas ist, was er verheimlicht und ihr gegenüber nicht lebt.

Das alles sind Dinge, die Frauen instinktiv wahrnehmen — und die bei Frauen sofort eine rote Warnleuchte angehen lassen. Eine Warnleuchte, die sagt: „Bis hier her lass‘ ich ihn ran — aber nicht weiter!“

Mir ging’s lange so, dass ich mich gefragt habe:

„Warum ist die ganze Sache so gottverdammt anstrengend? Warum muss ich mir so verdammt viel Mühe geben? Ich bin ein guter, wohlwollender, hilfsbereiter Kerl, der sich nichts weiter wünscht, als eine Frau glücklich zu machen. Warum nur muss ich mich so sehr dafür abstrampeln?!“

Wenn’s dir auch manchmal so geht, dann ist das ein ziemlich sicheres Zeichen dafür, dass sich bei dir zu vieles im „Rucksack“ angesammelt hat.

Kein Wunder, wenn du dann nicht mehr voran kommst. Mehr Mühe, mehr Wille und mehr Krafteinsatz werden dir hier nicht mehr weiterhelfen.

Sondern’s ist dann einfach an der Zeit, Sachen rauszuholen aus dem Rucksack, und anzufangen die Dinge zu leben, die du bisher von dir selbst verleugnet und versteckt hast.